Keinen Stress mit der Inklusion!

Linzer Forum Religionspädagogik ermutigt zu inklusiver Religionspädagogik in den Schulen

v.l.n.R.: Maria Trenda, Annebelle Pithan, Gerhard Weißhäupl, Philipp Klutz, Sabine Pemsel-Maier, Ilse Kögler, Gertraud Neuhofer, Silvia Habringer-Hagleitner

„Wie können wir dem positiven Grundanliegen von Inklusion in der Schule (Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe aller Menschen an Bildung - UN-Behindertenrechts-Konvention von 2006) gerecht werden, ohne uns dabei zu überfordern und frustriert an den Rahmenbedingungen zu scheitern?“ Dies wurde am 29.3. zur Kernfrage des Linzer Forums Religionspädagogik. Den anregenden Diskurs zwischen Lehrerinnen, Studierenden, Lehrenden und Bildungsverantwortlichen der Diözese belebten zwei renommierte Expertinnen: Dr. Sabine Pemsel-Maier, Hochschulprofessorin aus Freiburg und die Vorreiterin für inklusive Religionspädagogik im deutschsprachigen Raum, Dr. Annebelle Pithan, wissenschaftliche Referentin des Comenius-Instituts in Münster. 

Beide verwiesen auf den mit Inklusion verbundenen Paradigmenwechsel im pädagogischen Denken: weg vom Drang nach Homogenität und Normierung hin zu einem die Verschiedenheit aller Schüler/-innen wertschätzenden Umgang mit Vielfalt. „Das Besondere des Einzelnen wird in den Mittelpunkt gerückt“ (Pemsel-Maier) und: „Wenn jedes Kind verschieden ist, ist auch jedes Kind normal“ (Pithan). Die christliche Theologie bietet dem Anliegen von Inklusion einen reichen Fundus an theologischen Begründungen und Motivationen: von der Würde jedes Menschen, die in der Gottebenbildlichkeit gründet bis hin zum Lob der verschiedenen Begabungen in der paulinischen Charisma-Theologie. Aus diesem Grund ist gerade der Religionsunterricht prädestiniert für Inklusionspädagogik, so Pemsel-Maier. Die Religionspädagogik befördert seit langem Ansätze, welche die Teilhabe aller ermöglicht: mit einer Didaktik der Aneignung, mit dem Ansatz des offenen Theologisierens und Philosophierens mit Kindern, mit ganzheitlich-sinnesorientierten Methoden und einer Pädagogik der Vielfalt. Doch vor aller methodisch-didaktischen Zugangsweise steht – so sind sich die Referentinnen einig – die Auseinandersetzung mit dem je eigenen Verständnis von Behinderung, dem je eigenen Umgang mit Fremdem und mit Verschiedenheit. „Das Entscheidende ist das WOLLEN – unabhängig von Strukturen und Bedingungen“ – so betont Annebelle Pithan. Die erste Frage, die sich Pädagoginnen daher ehrlich stellen sollten, ist: „Will ich etwas weiterentwickeln in Richtung Bildungsgerechtigkeit oder will ich es nicht.“ Doch wie können jene, die sich dem Inklusionsgedanken gerne anschließen – und das ist die große Mehrheit der Religionslehrer/-innen – in der Praxis damit konkret bestehen?

Die überraschende Antwort des Tages lautete: „Keinen Stress mit der Inklusion!“. Ein inklusives Klima an einer Schule bzw. Klasse aufzubauen, brauche Zeit und Geduld. Besonders wichtig sei es, sich mit einigen Gleichgesinnten in der eigenen Schule zu vernetzen und so an einem neuen Schulklima zu arbeiten. Der „Index für Inklusion“ gibt dazu gute Richtlinien, ebenso wie die 10 Grundprinzipien für inklusiven Religionsunterricht des Comenius-Instituts. Annedore Prengel ermutigt zu einer „Zoomkompetenz“, die es sich erlaubt, zeitversetzt ganz bewusst einzelne Schüler/-innen mit ihrer Besonderheit in den Blick zu nehmen und nicht immer allen gleichzeitig gerecht werden zu wollen. Sich in kleinen Schritte in Richtung inklusiver Pädagogik weiterzuentwickeln und auch mit kleinen Erfolgen zufrieden zu sein, würde mehr bringen, als sich ständig an den großen Idealen zu messen. Beratung und Supervision in Anspruch zu nehmen und mit den Eltern, welche die eigentlichen Experten für ihre Kinder sind, in Austausch zu treten – kann ebenso den Weg zur Inklusion ebnen. Entlastend wurde der Hinweis empfunden, dass wir in all unserem Bemühen den eschatologischen Vorbehalt miteinbeziehen dürfen: das Vollkommene können und brauchen wir auch in Sachen Inklusion nicht zu bewirken. Und es hilft, das Wort „Inklusion“ nicht länger als  „Muss-Begriff“ mit sich zu tragen, sondern es Lebensqualitätsbegriff zu fassen: hin zu mehr Buntheit, Leichtigkeit und der Lust, voneinander Unterschiedlichstes lernen zu können.