L.E.V.

Endlich wieder Marktplatz!

„Ich bin eine Frau aus Afghanistan und Iran und Österreich. Ich sage das, weil ich nicht weiß, was das heißt, Identität.“
Mit diesen Worten von Zarah Rahimi wurde der 10. Marktplatz des Projekts Lernen.Engagement.Verantwortung. am 31. Mai 2022 eröffnet. In ihrem Text spricht Rahimi von ihrer Integration in Österreich, die sie auch als eine Selbstfindung betrachtet. 

Menschenbildung
Wie immer sehr persönlich begrüßte Rektor Mag. Dr. Franz Keplinger die Anwesenden, weil soziales Engagement für ihn wesentlich ist für den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Nur Lernen an der Hochschule wäre ihm zu wenig, er wünscht sich hier mehr in Richtung Menschlichkeit.
Auch Landesrat Dr. Wolfgang Hattmannsdorfer zeigte sich begeistert von der Idee des sozialen Engagements im Rahmen der Lehre. 
Mag. Annemarie Schlack, die Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, betonte in ihrer Keynote die enorme Bedeutung von Menschenrechten für uns alle und inwiefern die 1949 beschlossene Menschenrechtskonvention immer noch Gültigkeit hat. Sie versuchte den Studierenden vor Augen zu halten, wie wichtig eine Auseinandersetzung mit den Menschenrechten ist, auch wenn sich viele fragen, was kann ich schon bewirken? Hier antwortet Schlack immer mit einem afrikanischen Sprichwort: Wer glaubt, dass er zu klein ist, um einen Unterschied zu machen, hat noch nie eine Nacht mit einer Gelse in einem Zelt verbracht!
Ein weiterer Input kam von der Film-, Text- und Theaterarbeiterin Tina Leisch, indem sie den Blick auf Rollenzuschreibungen schärfte. Sie plädierte sehr stark für einen solidarischen Blick auf unsere Welt und nicht mit Mitleid von oben herab. Denn unsere privilegierte Position ist uns meist nicht bewusst. 
Magdalena Plöchl BA, Mitarbeiterin vom Unabhängigen Landesfreiwilligenzentrum und stellvertretende Geschäftsführerin vom Verein dieziwi, hob die herausragende Stellung der PHDL mit dem L.E.V.-Projekt nochmal hervor, welches bereits österreichweit vorgestellt wurde, da sich nur wenige Hochschule bislang darüber trauen. 

Stoppt Gewalt!
Am Nachmittag sprach Mag. Maria Rösslhumer, die Geschäftsführerin des Vereins autonome Frauenhäuser Österreich über ihr ungebrochenes jahrzehntelanges Bemühen für eine gewaltfreie Gesellschaft. Häusliche Gewalt trifft nicht nur viele Frauen, sondern sie ist auch die häufigste Form von Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Viele andere Ausprägungen von Gewalt sind ursächlich auf häusliche Gewalt zurückzuführen. 
Als Ursachen für häusliche Gewalt nannte Rösslhumer nicht die üblich aus den Medien kolportierten Gründe wie Eifersucht, Liebe, verletzter Stolz, sondern strukturelle Probleme wie fehlende echte Gleichstellung zwischen Frauen und Männern sowie mangelnde Gleichstellungspolitik und ein nach wie vor tiefsitzendes patriarchalisches System, das zu Verhaltensmustern wie Machtmissbrauch, Kontroll- und Besitzdenken und einer so genannten toxischen Männlichkeit führt.
Hierzu äußerte sich auch Mag. Sabine Mandl vom Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte. Sie forscht zu Gendergerechtigkeit und Inklusion. Frauen mit Behinderungen erfahren oftmals doppelte Diskriminierung. Jede dritte Frau weltweit erlebt körperliche und/oder sexuelle Gewalt, beeinträchtigte Frauen sind um ein Vielfaches mehr davon betroffen. Dabei haben laut WHO 15 Prozent aller Menschen eine oder mehrere Behinderungen, davon leben 80 Prozent in den Ländern des Südens. „Doch es gibt nicht die Männer und die Frauen“, so Mandl. Auch Männer erfahren Diskriminierung als Männer. 

Proud to be poor ist schwer!
Mag. Martin Schenk von der Armutskonferenz erzählte in seinem Vortrag die Geschichte von Brot und Rosen, welche vor mehreren hundert Jahren begann. Seither berufen sich Kämpfer*innen gegen die Armut auf diese Symbolik. Das Brot steht für die materielle Grundversorgung, die der Mensch zum Leben braucht, die Rosen stehen für alles andere, was auch noch wichtig ist für ein gutes Leben, Musik, Literatur, Freundschaft etc. Ein Leben ohne Brot bedeutet absolute Armut, ein Leben ohne Rosen wird als Deprivation bezeichnet. 
Wichtig im Umgang mit Armut ist der Kontext, in den meisten Fällen ist Armut natürlich auch relativ, die Unfreiwilligkeit und die Unfreiheit. Menschen in Armut sind das soziale Fieberthermometer einer Gesellschaft. Sie leiden verstärkt unter Einsamkeit, Vertrauensverlust, fehlende Selbstwirksamkeit und natürlich auch fehlende Anerkennung.