Interview mit Florian Wegscheider
WissenschaftLinz – 30. September 2024
Beim Wissenschaftsempfang am 25. September 2024 im Schlossmuseum Linz eröffnete OÖ Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer in Anwesenheit des gesamten PHDL-Rektorats den „Science Talk“ mit den Worten: „Wissenschaft ist kein Selbstzweck.“ Im Gegenteil: „Wissenstransfer ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Gesellschaft“, sieht auch Landesrat Markus Achleitner in den tertiären Bildungseinrichtungen nicht nur einen Ort der Forschung und Lehre.
Um bei dieser Transferleistung von Wissenschaft neue Wege zu beschreiten, hat sich an der PHDL das bisherige Institut Forschung und Entwicklung (IFE) seit 1. August 2024 zum Institut Wissenschaftstransfer (IWT) transformiert. An der Spitze des 17-köpfigen Teams: IWT-Institutsleiter HS-Prof. Dr. Florian Wegscheider.
Im Interview mit dem 36-jährigen Liturgiewissenschaftler wollten wir wissen, was diese Veränderung bewirken kann, was man unter Wissenschaftstransfer eigentlich versteht und welche Initiativen nun im Fokus stehen.
PHDL: Herr Wegscheider, wie geht es Ihnen in Ihrer neuen Rolle als Institutsleiter?
FW: Nach den ersten acht Wochen in der neuen Rolle kann ich nur sagen, dass es mir sehr gut geht. Wir sind ein motiviertes Team und ich habe bisher nur positive Resonanz erfahren. Die ersten konkreten Ideen für Projekte und neue Kooperationen sind bereits geboren. Das freut mich ungemein und zeigt, dass wir mit dem Institut Wissenschaftstransfer am Puls der Zeit sind.
PHDL: Das neue Institut Wissenschaftstransfer (IWT) ist eine Weiterentwicklung des bisherigen Instituts Forschung und Entwicklung (IFE). Welche Gründe sprachen dafür?
FW: Aus meiner Sicht gab es eine Mehrzahl an Gründen, die das Rektorat dazu bewogen haben, diese Veränderung vorzunehmen. Das betrifft ja nicht nur den Titel des Instituts, sondern auch die institutionelle Form. Das IWT ist nun ein „Querschnitts-Institut“: es reicht in alle Organisationseinheiten unserer Hochschule hinein. Strukturell entspricht das den neuen hochdotierten „Clusters of Excellence“ des Wissenschaftsförderfonds FWF und so wie ich es wahrnehme, ist das ein Novum in ganz Österreich. Also ein hochmoderner Forschungsansatz, den wir nun an der PHDL umgesetzt haben. Der Grundgedanke dazu ist, dass man rasch und interdisziplinär auf aktuell auftretende komplexe Problemstellungen reagieren kann. Das umfasst auch die gesellschaftlichen Anforderungen an die Wissenschaft: Probleme in der Gesamtheit zu analysieren und Lösungsvorschläge zu präsentieren. Da muss man auch dem Rektorat ein Gespür attestieren, dass es diese gesellschaftliche Dynamik erkannt hat.
PHDL: Wann entstand denn die Idee zu einem Wissenschaftstransfer-Institut?
FW: Das war ein längerer Prozess des Hinsehens und Hinhörens. Zur Gründungszeit des IFE war es wichtig, hochschulische Forschung zu forcieren und neben der Lehre zu zeigen, dass die damals neu gegründeten Hochschulen auch im Bereich der Forschung mit anderen tertiären Bildungseinrichtungen „mithalten“ können. Das war sicherlich ein großer Erfolg des IFE, was man durch zahlreiche Drittmittelprojekte in den vergangenen Jahren sehen kann. Nach knapp 20 Jahren als „Pädagogische Hochschule“ entstanden nun neue Anforderungen an uns, etwa, dass alle Organisationseinheiten noch stärker mit Universitäten und anderen Partnerinstitutionen zusammenarbeiten sollen und auch müssen. Nach den Anfangsjahren als Hochschule tritt sie jetzt in einen neuen Lebenszyklus ein, in dem man noch stärker vernetzt denken muss. Für die Forschung heißt das nun, dass wir als IWT die Gesamtforschungsleistung der PHDL sichtbarer machen und Synergien besser nutzen wollen.
PHDL: Sie sprechen von Vernetzung: wie kann das Ihrer Meinung nach gelingen?
FW: Viel Kaffee trinken (lacht). Im Moment sehe ich es als eine meiner wichtigsten Aufgaben, mit den verschiedenen Organisationseinheiten ins Gespräch zu kommen, um abzuklären, wo wir am besten im Bereich der Forschung unterstützen und wo bereits Forschungskooperationen existieren, die wir weiter ausbauen können. Hier kann eine Tasse Kaffee in ruhiger Atmosphäre manchmal Wunder wirken (schmunzelt). Diese Vernetzung funktioniert nur im Sinne eines „gemeinsamen Bildens“. Wir können nur dort andocken, wo das auch gewünscht wird. Parallel dazu erstellen wir systematisch eine Forschungsdatenbank, aus der unter anderem eine Forschungsstrategie entwickelt werden soll. Die Forschungsthematiken sind heutzutage zu komplex, als dass man zig Projekte unkoordiniert nebeneinander laufen lassen könnte, wie auch unser „Internationaler Wissenschaftlicher Beirat“ bestätigte. In den kommenden Monaten schauen wir uns also konkret die Schwerpunkte einzelner Forschungsbereiche unserer Hochschule an und versuchen daraus neue und schlagkräftige Forschungsfelder zu entwickeln – inklusive entsprechender Drittmittelprojekte sowie „Third Mission“.
PHDL: Genau, beim Wissenschaftsempfang im Linzer Schlossmuseum fiel der Begriff „Third Mission“ besonders oft. Was verstehen Sie darunter?
FW: Ja, aktuell ist das ein sehr strapazierter Begriff. Vereinfacht gesagt haben Universitäten und Hochschulen drei Aufträge. Erstens: Forschung. Zweitens: Lehre. Und drittens: den Transfer wissenschaftlicher Ergebnisse in die Gesellschaft. Diese Transferleistung wird auch als „Third Mission“ bezeichnet. Wichtig erscheint es mir festzuhalten, dass die „Third Mission“ keine Einbahnstraße ist. So wäre sie auch gesetzlich nicht gedacht. Die Hochschulen müssen ihre Forschungsergebnisse breitenwirksam in die Gesellschaft vermitteln, sie müssen aber zugleich am Puls der Zeit sein. Hinhören, was von der Zivilgesellschaft gerade gebraucht wird. Als Pädagogische Hochschule haben wir direkten Zugang zu Schulen, über die wir gesellschaftliche Entwicklungsdynamiken gut beobachten können. Wir haben in unserem Lehrenden-Kollegium eine Vielzahl an „Mitverwendeten“, die sowohl an einer Schule als auch an der PHDL lehren – und damit topausgebildete „Transfer-Personen“. Darunter verstehe ich Personen, die einerseits durch die Forschung an der Hochschule die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse haben und andererseits durch ihre Tätigkeit an der Schule die aktuellen Fragestellungen mitbekommen – und beides in Wechselwirkung bringen können, sprich: Transfer leisten. Bei uns auf der Hochschule wären hier beispielhaft Projekte wie „L.E.V.“ oder „ÖKOLOG“ zu nennen.
PHDL: Eigentlich sprechen Sie ja damit die Lösung zentraler gesellschaftlicher Anliegen an: global wie regional. Was braucht es denn, damit Forschung diese Themen effizient und praxisnah bearbeiten kann?
FW: Komplexe Problemfelder benötigen weitere finanzielle Mittel, das muss man ehrlicherweise sagen. In der gesamten wissenschaftlichen Landschaft ist zu erkennen, dass der Bereich der Drittmittel immer wichtiger wird. Das bedeutet, dass man durch öffentliche Förderstellen weitere Mittel an die Hochschule bringen muss. Damit waren wir bisher schon sehr erfolgreich: ich denke dabei an verschiedene Erasmus+-Projekte, aber auch an ganz neue, sogenannte „B3-Projekte“, die weitere Doktoratsstellen ermöglichen. Die (inter-)nationalen Fördergeber-Einrichtungen erwarten jedoch einen immer stärkeren interdisziplinären und internationalen Zugang. Konkret bedeutet das: nur wenn man mit anderen Wissenschaftsdisziplinen und gesellschaftlichen Akteuren in den unterschiedlichsten Ländern gemeinsam an der Lösung von Problemen arbeitet, hat man eine Chance, Fördermittel zu erhalten. Daher wird sich das IWT in Zukunft noch stärker für Kooperationen einsetzen, um in der Folge erfolgreich Anträge für Drittmittel einreichen zu können. Letztendlich wird das auch für den geplanten „Campus der Zukunft für Bildung und Wissenschaft“ relevant sein, der hier bei uns am Linzer Freinberg entstehen soll. Nur über eine Vielzahl an Drittmitteln wird ein nachhaltiger Wissenschaftsbetrieb möglich sein. Kommunikationsfähigkeit wird deshalb in der Wissenschaft immer mehr zur Schlüsselkompetenz.
PHDL: Kann das nicht oft auch eine Gefahr darstellen, dass aus der Unübersichtlichkeit von Meinungen in der Öffentlichkeit ein dramatisches Bedürfnis nach Eindeutigkeit entsteht und jemand sagt: „wir folgen DER Wissenschaft“?
FW: Das ist sicherlich ein Mitauslöser für das Bestreben nach interdisziplinären Forschungsansätzen. Wie bereits erwähnt: nur durch verschiedene Fachexpertisen können komplexe Problemstellungen analysiert und gelöst werden. Eben deshalb ist eine Mischung aus Basisfinanzierung durch die öffentliche Hand und Drittmittel so wichtig, denn nur durch eine längerfristige Finanzierung kann längerfristige Forschung funktionieren. Das soll Wissenschaft und Forschung auch vor kurzfristigen politischen oder wirtschaftlichen Interessen schützen. Was auch gesagt werden muss, ist, dass Wissenschaft nicht auf alle Fragen des Lebens sofort eine Antwort haben muss. Wissenschaft lebt vom Diskurs. Dieser Diskurs muss sich an Regeln halten. Das muss noch deutlicher in die Gesellschaft kommuniziert werden.
PHDL: Wie möchte das IWT zur Überbrückung der Wissenschaftsskepsis in der Gesellschaft beitragen?
FW: Nicht die Wissenschaftsskepsis ist das Problem, denn Skepsis ist eine wichtige Voraussetzung für den wissenschaftlichen Diskurs. Das Problem sehe ich im „Sich-Abwenden“ von der Wissenschaft. Wenn plötzlich Personengruppen zu einem bestimmten Fachgebiet Expertise zugeschrieben wird, obwohl sie sich nie wissenschaftlich damit auseinandergesetzt haben. Selbstverständlich muss man jene ernst nehmen, die nach pseudo-wissenschaftlichen Alternativen suchen. Wichtig ist, dass wir respektvoll miteinander umgehen und – auch selbstreflexiv – Limitierungen wissenschaftlichen Arbeitens transparent machen. Wenn jemand konstruktive Kritik an der Wissenschaft äußert, bedeutet das dennoch, sich weiterhin fachlich auseinanderzusetzen und in einem Dialog gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Dieses dialogische Miteinander sehe ich als einen Schwerpunkt an der PHDL. Das IWT möchte dabei einerseits koordinierend an unserer Hochschule wirken: ich denke etwa an das Demokratie-Projekt „DNAustria“ des Bildungsministeriums, dessen Einbindung wir gemeinsam realisiert haben. Andererseits möchten wir noch stärker mit unseren Forschungsprojekten in die Gesellschaft gehen. Vor zwei Wochen wurde das Erasmus+-Projekt von meinem Instituts-Stellvertreter Dr. Alfred Weinberger bewilligt, bei dem sich die kriegführenden Länder Armenien und Aserbaidschan gemeinsam dafür einsetzen, dass Wertevermittlung in den Bildungsbereich kommt.
PHDL: Wissenschaftstransfer: Ihr Ziel. Können Sie so eine große Aufgabe und so ein langes Wort auch in 1 Satz erklären?
FW: Ja. Damit soll Forschung attraktiv werden (lächelt). Forschung kann mitunter anstrengend und zermürbend sein, aber es macht ungemein viel Spaß konzentriert an Fragestellungen zu arbeiten und am Ende ein großartiges Ergebnis zu sehen. Wenn das Ganze im Team geschieht, macht es noch mehr Freude.
PHDL: Gibt es schon Initiativen des Instituts, die in den nächsten Jahren im Fokus stehen werden?
FW: Im Fokus steht die Transferleistung. Wir wollen Forschungsleistungen an der PHDL noch mehr bündeln und sichtbarer machen. Konkret werden wir das über gemeinsame (Drittmittel-)Projekte bewerkstelligen. Ein gezieltes Vorgehen bedarf aber auch einer gewissen Vorbereitung und in dieser befinden wir uns momentan.
PHDL: Herr Wegscheider, was motiviert Sie persönlich an dieser Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft zu sein und welche Akzente möchten Sie in Ihrer neuen Rolle setzen?
FW: Nah an der Wissenschaft und am Forschungsgeschehen sein zu dürfen, ist ein großes Privileg. Dieses Privileg wird mir vor allem durch Steuergelder ermöglicht, daher sehe ich es schon auch als meine Aufgabe, der Gesellschaft wieder etwas zurückzugeben. Es freut mich, dass ich als Mitglied des IWT an der Schnittstelle von Gesellschaft und Wissenschaft stehen und zugleich als Bindeglied zwischen Hochschulverwaltung und Forschung fungieren kann. Auf diese Weise bin ich in den unterschiedlichen Bereichen beteiligt. Das sehe ich auch als persönliche Bereicherung.
PHDL: Herr Wegscheider, recht herzlichen Dank für das Interview.
FW: Sehr gerne.