L.E.V.: Diversität fördern und leben

Studium

"Service Learning als Vorbildleistung"

HS-Prof. PD Dr. Johannes Reitinger (PHDL-Rektor)

Linz – 5. November 2024

"An dieser Pädagogischen Hochschule wird Soziales Engagement nicht nur groß geschrieben: man spürt in diesem Haus überall, dass das gelebt wird", setzte die Sektionschefin I des BMBWF Doris Wagner, MEd vor 250 Anwesenden ein Ausrufezeichen zum Pionierprojekt L.E.V., bevor sich die Studierenden der PHDL am "Marktplatz diverser Sozialeinrichtungen" in der Eingangshalle über verschiedenste Möglichkeiten eines verantwortungsvollen Engagements während ihrer Studienzeit informierten.

Die PHDL bedankt sich bei mehr als 30 Einrichtungen aus den verschiedensten sozialen Handlungsfeldern für Ihr fortlaufendes Engagement, mit dem sie einen ganz wesentlichen Beitrag zur Förderung einer gelebten sowie inklusiven, vielfältigen und diversen Gesellschaft leisten. 

Thementag "gender – divers gedacht"

Als ehemalige L.E.V.-Teilnehmende moderierte Angelika Eder, MA durch das Vormittagsprogramm und erzählte: "von meinem damals aufgebauten Netzwerk profitiere ich noch heute." Diversität aktiv leben und fördern – das ist einer der emanzipatorischen Leitgedanken des "Service Learning". Das brachte gleich am Anfang die Künstlerin Esra Özmen ("EsRAP") nicht nur musikalisch, sondern auch performativ mit dem Stilmittel des Rap auf der AULA-Bühne zum Ausdruck, um sich gegen veraltete Diskurse in gesellschaftlichen Randgruppen zu positionieren. Denn: "Die Arbeiterklasse spricht eine Sprache, die die Akademiker nicht verstehen. Und Akademiker sprechen eine Sprache, die die Arbeiterklasse nicht versteht", befindet Frau Özmen. 

Mehr Selbstbestimmung und Inklusion durch Abbau von Rollen- und Geschlechterklischees

Ein gelebtes Diversitätsbewusstsein an Schulen wäre für die Historikerin Dr.in Fatma Akay-Türker (Muslimische Frauengesellschaft in Österreich) besonders in der Selbst- und Fremdwahrnehmung von muslimischen Frauen ein gesellschaftlich wertvolles Thema im Unterricht. Was nämlich faktisch im Koran geschrieben steht, und wie der Koran von institutionalisierten Gelehrten manipulativ interpretiert wird, ist oft nicht konsistent –insbesondere bei Konfliktlinien wie der Stellung der Frau. Werden diese Diskrepanzen – etwa durch tradierte und habitualisierte Stereotype in patriarchalen Strukturen – nicht langfristig geschlossen, können sie muslimische Frauen in eine Identitäts- und Legitmitätskrise manövrieren. "Fördern Sie die Selbstbestimmung Ihrer Schüler:innen, indem Sie vielfältige und realistische Materialien zu muslimischen Frauen facettenreich darstellen", lautet daher ihr Apell an die angehenden Pädagog:innen. 

Geschlechterpädagogik- und Integrationsberaterin Emina Saric, MA ortet in dem Zusammenhang eine fehlende Toleranzfähigkeit in heimischen Schulen. "Die Fähigkeit zur Reflexion des eigenen kulturellen Milieus ist gefragt; wie wir also selbst kulturell programmiert sind." Denn oft würden sich Kinder und Jugendliche zur Stabilitätssicherung für die übermittelten Stereotype ihrer Eltern entscheiden. Eben deshalb brauche es im Unterricht und in der Jugendarbeit Raum für eine befreiende Themenbegegnung, um über Rollen- und Geschlechterklischees nachzudenken und patriarchale Strukturen zu rekonstruieren. "Es geht um eine gewaltfreie Kommunikation in den Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen."

Auch die "historische Unsichtbarmachung der Frau" führt für Mag.a Stefania Pitscheider-Soraperra (Direktorin des Frauenmuseums Hittisau) dazu, dass Frauenrollen marginalisiert werden. Zukünftig müsse es auch darum gehen, wie KI historische Stereotype und Ungerechtigkeiten vermeidet, indem man die Frage stellen könne: "wer bestimmt denn eigentlich, welche Daten analysiert werden?" Eine geschlechtergerechte Sprache sei auch deshalb so wichtig, weil erst durch Kommunikation die Stellung der Frau hervorgerufen, wahrgenommen und erfahrbar wird. "Es geht nicht darum, eine weibliche Welt, sondern eine gerechte Welt zu schaffen."

Demokratiebildung als Beitrag zur sozialen Infrastruktur 

Für Univ.-Prof. Dr. Thomas Gegenhuber von der JKU "können wir die Transformationen unserer Zeit nur bewältigen, wenn unsere Gesellschaft über eine funktionierende soziale Infrastruktur verfügt. Diese lebt von Engagement und Gemeinschaft. Mit der Unterstützung von L.E.V. leistet die Universität einen kleinen Beitrag zur Aufrechterhaltung und Stärkung der sozialen Infrastruktur in Oberösterreich."

"Gelebte Inklusion. Das sollte moderne Bildung heutzutage bieten können", hielt HS-Prof. PD Dr. Johannes Reitinger (PHDL-Rektor) fest. "Wie sonst soll man später demokratisch handeln können, ohne vorher als Person in Lerngelegenheiten erfahren zu haben, wie das geht, was ich dazu beitragen muss und welche Wirkungen solches Handeln hat."

Für die Sektionschefin Doris Wagner, MEd des BMBWF werden deshalb soziale Kompetenzen wichtiger denn je. "Manches Mal hat man das Gefühl, dass die Welt egoistischer geworden sind. Umso mehr wächst die Bedeutung des 'Service Learning' als Vorbildleistung: also 'Soziales Lernen' zu spüren, den Mehrwert, den Selbstwert, auch in der späteren Unterrichtspraxis, um das den Schüler:innen gut mitgeben zu können." 

Veranstaltung & Ausstellung

Veranstaltet wurde der L.E.V.-Thementag 2024 von Initiatorin Mag. Elisabeth Hueber-Mascherbauer und Astrid Leitner, Bakk. phil. Auch in der "Weißen Galerie" wurde die Ausstellung von PHDL-Künstlerinnen zum Thema „Gender“ eröffnet. Mit ihren Werken regten sie zum Nachdenken über gesellschaftliche Strukturen und Rollenbilder an und trugen so zu einer lebhaften Diskussion bei. Die Ausstellung bietet bis zum 14. November 2024 die Möglichkeit, unterschiedliche Perspektiven auf das Thema "Gender" zu erleben und den Dialog über Vielfalt und Inklusion fortzusetzen.

 

L.E.V. 2024: Fotogalerie