Pädagogik hat Schlüsselrolle

Bildung

Vortrag zur Lösungsbegabung von Dr. Hengstschläger

Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger (stv. Vorsitzender der Bioethikkommission beim österr. Bundeskanzleramt)

Bei manchen Vorträgen muss man dabei gewesen sein: Was der Linzer Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger (Institutsvorstand für Medizinische Genetik der Med-Uni Wien) am 9. November 2023 um 19:00 in der AULA der PHDL zum „Potenzial der Lösungsbegabung“ erzählte, wird den etwa 100 anwesenden Pädagog:innen wohl länger in Erinnerung bleiben. Die ebenso druckreife wie unterhaltsame Rede des 55-jährigen Genetikers enthielt nicht nur jede Menge anekdotischer Exkurse mit oberösterreichischem Humor, er verdichtete diese auch mit Fortdauer des Vortrages zu einer stringenten Heranführung zum Kernthema eines genetisch mitbestimmten Potenzials des Menschen zur Lösungsbegabung. "Gene beeinflussen Talente und sind bei unseren Begabungen das Grundpotential", so der Bestsellerautor, der kritisiert: "die Lösungsbegabung ist die einzige Begabung, die wir nicht fördern, sondern gar blockieren."

Pädagogik als Schlüsselrolle für Lösungsbegabung

Kinder, die vor einer Aufgabe stünden, bekämen hierzulande von ihren Eltern viel zu oft sofort die Lösung präsentiert. Mit einer vermissten Fehlerkultur und der unmittelbaren Lösungspräsentation in der Erziehung würde dem Kind die Möglichkeit genommen, selbst Lösungen finden zu können. Dadurch könnten schlimmstenfalls Individualität und Flexibilität abgewöhnt werden. Der Pädagogik komme hier eine Schlüsselrolle zu – sie könnte nach Hengstschläger das Potenzial zur kollektiven Lösungsbegabung entfachen, indem man "kollektive Lösungsfindungsprozesse" in der Schule fördert. Schließlich gehe es nicht immer nur darum, was wir fördern, sondern wie wir es fördern. Das impliziere die Tugend des Ausprobierens und des Archivierens sowohl von nicht-funktionierenden als auch von funktionierenden Ideen. Wichtig sei die Förderung von (guten und schlechten) Ideen, denn sie stünden immer am Anfang eines jeden Lösungsfindungsprozesses.

Um also jemand mit Lösungsbegabungen nachhaltig auf die Herausforderungen unserer Zukunft vorzubereiten, könnte das Konzept der "Flexicurity" hilfreich sein, also eine integrierte Strategie zur gleichzeitigen Stärkung von Flexibilität und sozialer Sicherheit. Damit nämlich überhaupt Lösungsvorschläge evoziert werden können, brauche es nach Hengstschläger die Dualität zwischen gerichtetem Wissen und ungerichteten Kompetenzen. Neben dem Wissensbestand sollte in der Pädagogik daher der Fokus auch zunehmend auf die Entdeckung von ungerichteten Kompetenzen – also den "21st Century Skills" wie Kreativität, kritischem Denken, Teamfähigkeit, Recherche, Mut, Fleiß etc. – gelegt werden. Denn: "Nur wer possibilistisch und lösungsbegabt in Bewegung ist und am kollektiven Geschehen teilnimmt, hat vor der Zukunft keine Angst."

"Jeder Mensch hat Talente"

In der anschließenden Diskussionsrunde betonte Hengstschläger einmal mehr, dass jeder Mensch Talente habe. Das seien nicht immer nur gut bezahlte Fußballstars und Opernsänger, sondern auch Menschen in der Pädagogik oder Pflege. Deshalb sei es das Recht eines jeden Kindes, etwas über sich zu wissen: "Ohne zu wissen was ich wirklich kann, nimmt mir das die Chance, dort noch besser zu werden, worin ich wirklich mein Talent habe." PHDL-Rektor Dr. Johannes Reitinger ergänzte dabei, dass die Entdeckung von Talentpotential im pädagogischen Bildungsprozess nicht nur mit der Förderung von Lösungsbegabung sondern auch viel mit Wertschätzung zu tun hat, den jungen Menschen schlicht etwas zuzutrauen. Genau aus diesem Grund solle man nach Hengstschläger sowohl gerichtetes Wissen unterrichten als auch ungerichtete Kompetenzen fördern. Der Apell des Linzer Genetikers: "Für die Zukunft keine Angst vor dem Unvorhersehbarem haben, sondern Lösungsfindungsprozesse üben."

Mehr Infos:

Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger
PHDL: Institut Fortbildung