"Sprache lebt von Zwischentönen"

Bildung

Buchpräsentation von Gerhard Doss

Prof. Gerhard Doss

Linz – 14. April 2024

Kurz vor seiner Buchpräsentation an der PHDL am 16. Mai 2024 um 18 Uhr im Hörsaal 1 wollten wir von Gerhard Doss wissen, welches Potential in der eigenen Stimme liegt und warum der gebürtige Linzer seine bereits dritte Monografie veröffentlicht hat – diesmal mit dem Titel: "Atemrhythmisch Angepasste Phonation". 

"Ich bin ein verhinderter Podcaster gewesen"

Seine eigene Stimme hat der ehemalige Dozent unseres PHDL-Rektors Dr. Johannes Reitinger schon mit zehn Jahren entdeckt. "Mein Papa kaufte ein Tonbandgerät und ich war sofort fasziniert, wie meine Stimme klingt. Heute könnte man sagen, ich bin ein verhinderter Podcaster gewesen, weil ich zu einem imaginären Publikum gesprochen habe. Aber so blieb mir meine Stimme immer vertraut." Seine Stimme zog ihn schnell auf die Bühne: mit 17 spielte er erstmals in einem Musical, ab 22 studierte er Gesang am Brucknerkonservatorium Linz und an den Musikhochschulen Graz und Wien. Knapp drei Jahrzehnte lehrte er am Linzer Salesianumweg u.a. Gesangspädagogik

Verlieren wir unsere Stimme?

Eine Stimmbildung in frühen Jahren wäre laut Doss äußerst empfehlenswert für das eigene Selbstbewusstsein und unsere Beziehungen, zumindest eine stimmphysiologische Begleitung. Es gehe nicht darum, ob die Stimme schön ist oder nicht, sondern dass sie nicht kippt oder bricht. Heutzutage bliebe die Stimmfunktion den Menschen selbst überlassen – dadurch käme das Gefühl für den Stimmklang abhanden. "Heute spricht man schlampiger, spannungsloser, nuschelnder. Grammatik und Wortschatz sind noch ein anderes Thema, da passieren Nivellierungen nach unten. Aber die Stimmkraft wird uns geradezu weg erzogen." Eine kulturelle Frage? Auch, meint Gerhard Doss. 

Unter dem Deckmantel der Höflichkeit und Seriosität werde oft ein "reiß dich zusammen" oder "sei ruhig" eingefordert, um andere vielleicht nicht zu verschrecken. Dabei schadet unserer Stimme ein Lautsein oder ein Rufen gar nicht – im Gegenteil: "Entscheidend ist, sich selbst mit seinen Emotionen nicht zu unterdrücken. Ohne Gefühl kann kein Mensch sprechen." In dieser Polarität liege auch das Potential unserer Stimme. Denn viel entscheidender als der filigrane Kehlkopf – mit dem unsere Stimme ihren Klang bekommt – sei "unser Zwerchfell, mit dem wir unsere Emotionen herausbewegen können und die Stimme mobilisieren". 

Anlass zur Buchveröffentlichung

Das Wirkungspotential der eigenen Stimmkraft sei nach Doss kaum einzugrenzen. Inspiriert von der Plausibilität und der Empirie zum Thema Stimme bei seinem Mentor Univ. Prof. Dr. Horst Coblenzer sei für Doss früh klar geworden, was Stimme nicht nur in direkt assoziierten Berufsrollen wie Gesang, Politik, Logopädie und Schauspiel ermöglicht, sondern auch in Beziehungen und für das eigene Selbstbewusstsein. Der Stimmbildner Andreas Giermek von der Schauspielschule Bühnenstudio Hamburg (Film und Bühne) überzeugte den Vater einer 28-jährigen Tochter schließlich von der Notwendigkeit und gesellschaftlichen, pädagogischen, künstlerischen und therapeutischen Relevanz dieses Buches, wie man durch einfache Übungen seine Stimme gewinnt

Fehlende Grautöne bei der Suche nach der Wahrheit seien in der heutigen Mediengesellschaft eine gefährliche Entwicklung. Ebenso würden uns in der Sprache die Zwischentöne zunehmend abhanden kommen. "Junge Menschen haben ein Anrecht darauf, dass sie eine schöne Sprache sprechen dürfen. Und sie ist nur dann nicht schön, wenn man nicht gelernt hat, die Sprache in einen Fluss zu bringen."

Viele Männer hätten etwa das Gefühl, nicht aus dem Stimmbruch heraus gekommen zu sein. Dabei bräuchten die Menschen oft nur etwas Begleitung, um im sprachlichen Gebrauch ihre Sicherheit für Betonung und Redefluss zurück zu erlangen. "Deshalb habe ich das Buch geschrieben, um zu zeigen, wie mit einfachen Übungen unsere kommunikativen Fähigkeiten optimiert werden können. Dann gibt es auch wieder mehr Gesprächsmöglichkeiten", fügt Doss mit einem Augenzwinkern zu.

 

Zum Buch: "Atemrhythmisch Angepasste Phonation"

Lehmanns Media Verlag

Buchvorstellung am 16. Mai 2024
18 Uhr, Hörsaal 1
PHDL, Salesianumweg 3, 4020 Linz