Maiversity: (Ohn-)Macht, Partizipation

Bildung

Bildung zwischen Macht und Mitgestaltung

Moderatorin und PHDL-Zentrumsleiterin für Diversität und Inklusive Bildung Dr. Katharina Fischer

Linz – 27. Mai 2025

Zwei Tage lang wurde an der PHDL am 19. und 20. Mai 2025 im Rahmen der Maiversity gefragt, diskutiert, zugehört. Zu einem Thema, das aktueller kaum sein könnte: Macht, Ohnmacht und Partizipation in der Pädagogik. Das Herzstück der Tagung bildete eine Podiumsdiskussion mit internen und externen Gästen aus dem pädagogischen Feld. 

Reflexion statt Rezepte

Fragen zur institutionellen Macht im Schulalltag standen im Raum. Oder welche Verantwortung Lehrkräfte in einem selektiven Schulsystem tragen. Die Diskussion bot dabei persönliche Perspektiven sowie Tiefe und verlieh ihr Dringlichkeit. 

Auch weil Dr. Katharina Fischer bei ihrer Moderation nicht nur die Podiumsdiskussion geführt, sondern geschickt Räume eröffnet hat, indem sie konsequent versuchte, Vertrauen sowie strukturelle Machtverhältnisse als zentrale Reflexionsachsen herauszuarbeiten.

Zutrauen statt Leistungsdruck

PHDL-Rektor Dr. Johannes Reitinger strich in seinen Eröffnungsworten hervor, dass Bildung ein gemeinsames Suchen nach Zukunft bedeute. Deshalb entwickle die Pädagogische Hochschule am Linzer Freinberg ihre Curricula so, dass aktuelle Fragen der Studierenden aufgegriffen werden: „Wir möchten keine vorgefertigten Lehrbausteine, sondern flexible Lerngelegenheiten schaffen – eine Schmiede für Zukunftslösungen.“

Ganz im Sinne von Raphaela Friedl – Geschäftsführerin der Hobby Lobby, welches kostenlose Freizeitprogramme für Kinder in Armut bietet – die gleich zu Beginn der Diskussion strukturelle Machtmuster und Leistungsdruck kritisierte und für den Blick auf das Entwicklungspotenzial der Kinder plädierte. In der Praxis werde oft zu viel von Kindern erwartet: „Es muss sich beweisen – und wir müssen ihm Wege zeigen, wie es wachsen kann.“ Etwa durch Zutrauen und Perspektivwechsel. Indem man sage: "Ich sehe dich. Ich traue dir etwas zu."

Von Bildungsverlierer:innen…

"Was heißt es, wenn 30 % der Kinder von vornherein keine gesellschaftliche Teilhabe erwarten können?", griff Moderatorin Fischer mit klugen Impulsfragen die gefallenen Aussagen (z.B. "Bildungsverlierer:innen") am Podium noch einmal auf. Der emeritierte PHDL-Rektor (2012–2023) Dr. Franz Keplinger meinte dazu, dass sich Bildung nicht auf Fachkompetenz beschränken könne, sondern Räume für Empathie und Persönlichkeitsentwicklung eröffnen müsse. 

Warum Vertrauen kein pädagogisches Beiwerk ist

"Wie begegnet man also Kindern, die früh lernen, dass Teilhabe nicht für sie gedacht ist?", setzte Fischer zum Denkanstoß an. Keplinger: „Seid Menschen – das hat eine Holocaust-Überlebende kurz vor ihrem Tod Studierenden mitgegeben. Das soll Schule leisten.“ Und ohne Vertrauen in Institutionen, Lehrpersonen und Lernende entstehe eine Atmosphäre der Angst, Kontrolle und Anpassung. Partizipation könne nur dort gedeihen, wo Vertrauen gelebt werde: „Schulen ohne Vertrauenskultur zerstören mehr, als sie bilden.“

Bildung brauche Räume der Kontemplation

Franz Keplinger warb auch für ein “Innehalten” als Widerstand gegen Beschleunigung: Denn in einer von Unruhe getriebenen Gesellschaft brauche Bildung Orte der Stille und Reflexion, um Selbstwahrnehmung und ethische Orientierung zu ermöglichen: „Aus der Unrast entsteht Barbarei. Wir brauchen Räume der Kontemplation, nicht nur Räume des Outputs.“

Ohne eine hochschulgestützte Pädagogik fehle auch die ethisch-reflexive Tiefe: “Dann können wir die Schulen zusperren.” Marina Kostic, als Minority Teacher und Lehrerin aus Serbien am Podium, schilderte ihre sprachlichen Hürden und strukturellen Ausschlüsse – trotz hoher Qualifikation. "Ich bin eine doppelte Minority Teacher – weil ich Englisch unterrichte und aus Serbien komme.“ 

Mehr Bewegung, mehr Freude – auch im Denken

Viele Diskussionen über Diversität hält Marina Kostic oft für “populistisch”. Deshalb sei die Bewusstseinsbildung durch Events wie die “Maiversity” ganz wichtig. Macht entstehe nämlich nicht durch Kontrolle, sondern dort, wo Menschen gemeinsam handeln. 

Was in der Lehramtsausbildung für sie noch wichtig sei? “Zwei Wörter: Mehr Bewegung und mehr Spaß.” Moderatorin Fischer hat sich an diesem Punkt noch stärker für die "innere Bewegung" interessiert.

Vom Mut des Zutrauens

Alfred Prantl (IVMB-Obmann) gab dabei einen Einblick in eine Zeit der Schwarzen Pädagogik, als es noch keinerlei inklusive Strukturen gab. “Für mich war entscheidend, dass ich eine Familie hatte, die mich unterstützt und gefördert hat. Heute sehe ich mich als jemand, der Menschen zu einem selbstständigen Leben befähigen kann.” 

Was für ihn einen gute Lehrkraft ausmache? “Man soll einem Menschen mit oder ohne Beeinträchtigung etwas zutrauen können, dass diese auch Fragen stellen dürfen und ein wichtiger Teil der Gesellschaft werden können.”

Fragen, die bleiben

Am Ende resümierte Fischer, dass das Tagungsthema ein hochpersönliches sei. Nämlich, dass wir permanent “von Machts- und Ohnmachtsprozessen umgeben sind, sei es Teil unseres biografischen Geworden-Seins oder in unseren beruflichen und sozialen Kontexten”, so die Moderatorin. Und: “Eine gute Diskussion hinterlässt keine Gewissheit, sondern den Mut, weiter zu fragen”. 

Zentrum für Diversität und Inklusive Bildung

 

Bilder der Podiumsdiskussion